Der Hermann-Heinrich-Gossen-Preis des Jahres 2025 ging an Claudia Steinwender (LMU München) für ihre herausragenden Beiträge zur empirischen Handels- und Innovationsökonomik. Der mit 10.000 Euro dotierte Preis ist eine besondere Auszeichnung ihrer von hoher wissenschaftlicher Exzellenz geprägten Forschungsarbeit. Damit hat sie wesentlich zum Verständnis globaler Wirtschaftsprozesse und zur Internationalisierung der Wirtschaftswissenschaften beigetragen.
Wir haben Claudia Steinwender gebeten, uns drei kurze Fragen zu beantworten:
Was hat Sie zuletzt in Ihrer Forschungsarbeit selbst überrascht?
Das Spannende an Forschung ist, dass sie einen immer wieder überrascht, bei mir zum Beispiel, wenn ich unerwartete Datenmuster entdecke. Ich glaube, dass es genau das ist, was die meisten Forschenden an der Forschung so begeistert – es ist immer spannend, es gibt immer etwas Neues zu entdecken. Mir sind noch die Worte meines PhD-Betreuers, Prof. Steve Pischke, im Kopf: Wenn Forschung einfach wäre, würde es „search“ und nicht „re-search“ heißen … wobei ich mittlerweile der Meinung bin, es müsste „re-re-re-re….search“ heißen!
Zuletzt ist mir das in einem aktuellen Forschungsprojekt passiert, in dem wir erwartet hatten, dass die Einführung von Insolvenzregelungen im 19. Jahrhundert in den USA zu Wachstum im landwirtschaftlichen Sektor führen würde. Das Gegenteil war der Fall. Spannend wurde es, als wir die Erklärung dafür gefunden hatten: Das Insolvenzrecht ermöglichte es den Bauern, Schuldennachlässe zu erhalten. Allerdings durften sie einen kleinen Teil ihrer Farm behalten, den sie anschließend veräußern konnten. Das dadurch gewonnene Bargeld nutzten sie, um in Städte mit einem boomenden Industriesektor zu ziehen – was letztendlich die Industrialisierung in den USA begünstigte.
Was kann Wirtschaft von Wissenschaft lernen?
Immer noch und immer wieder: Korrelation bedeutet nicht Kausalität! Es ist verlockend, Datenmuster, die die eigenen Überzeugungen unterstützen, als „Beweis“ für die eigene Argumentation zu verwenden. Aber zu oft gibt es alternative Erklärungen, und wenn man diese außer Acht lässt, trifft man falsche Entscheidungen.
Durch künstliche Intelligenz und große Datenmengen ergeben sich heute sehr viele Möglichkeiten zur intensiven Datenanalyse in Unternehmen. Das birgt viel Potenzial, kann aber auch zu Fehlentscheidungen führen, wenn man die zugrunde liegenden Annahmen und Modelle nicht richtig interpretiert. Insofern lege ich der Wirtschaft sehr ans Herz, unsere Absolventinnen und Absolventen der Volkswirtschaftslehre einzustellen, die die Fähigkeit zum kritischen Denken gelernt haben – etwas, das mit künstlicher Intelligenz noch viel wichtiger, nicht unwichtiger, wird.
Ihr unkonventioneller Erfolgstipp für den Nachwuchs?
Da komme ich auf die erste Frage zurück. Ich sehe, dass viele PhD-Studierende oft enttäuscht sind, wenn ihre empirischen Ergebnisse anders ausfallen, als sie es erwartet hätten. Sie fragen sich dann: Was habe ich falsch gemacht? Warum sind meine Daten so „komisch“ und scheinbar fehlerhaft? Warum kommt bei mir „nichts“ raus?
Aber man kann die Forschung viel stärker vorantreiben, wenn man neue Erklärungen für unerwartete Ergebnisse findet. Die Analysen müssen natürlich korrekt ausgeführt werden. Aber dann lohnt es sich, wirklich tief darüber nachzudenken, warum etwas so ist, wie es scheint.
Vielen Dank!
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